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Der Tote lag zusammengekrümmt auf der Seite. Unter dem Kopf des Toten hatte sich eine Blutlache gebildet. Das dichte Haar hing ihm wirr ins noch jugendliche Gesicht.
„Achtung, die Brille!“, warnte Hauer den Kommissar, doch der hatte das Gestell und die zersplitterten Gläser bereits entdeckt. Schlögel beugte sich zur Erde. „Sie haben nichts verändert?“
„Nein, die Tür war angelehnt und es brannte Licht. Das habe ich gelöscht und die Tür verschlossen, dann habe ich Meldung gemacht.“
Der Tote lag vor einem Regal, auf welchem zwischen Holzwolle grell farbige Masken lagen.
Die Totenstarre war vor Stunden eingetreten. Der Kommissar schloß dem Toten die Augen und richtete sich wieder auf. Die Kopfverletzung war nicht schwer, doch der Tote hatte viel Blut verloren. Schlögel hielt nach Gegenständen Ausschau, die als Tatwaffe in Frage kamen. Doch er konnte nichts entdecken.
„Hatte der Tote eigene Schlüssel für diese Räume?“
„Leitende Mitarbeiter haben zu allen Magazinräumen des Museums Zutritt. Es gibt eine Reihe von Generalschlüsseln, die an der Pforte aufbewahrt werden.“
„Ja, das haben wir gehört.“
'Der Hausmeister war an der Tür stehen geblieben, während sich die beiden Polizisten in dem Raum umsahen. Er schien für die Tätigkeit der beiden Männer nur ein mäßiges Interesse zu haben. Nach einer Weile zuckte Hähnrich mit den Schultern. Auch er hatte nichts entdeckt.
„Was ist in diesem Magazinraum untergebracht?“
Ohne einen Blick auf das an der Innenseite der Tür angebrachte Inventarverzeichnis zu werfen, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Diese Räume gehören zu der Abteilung Nordamerika, dem Arbeitsgebiet von Herrn Dr. Rensch.“
„Sie kennen sich hier aus?“
Der Hausmeister wies mit seinem rechten Arm auf das Regal. „In diesem Raum befinden sich einige der spektakulärsten Museumsstücke. Es sind dies die drei Vogelmonster-Masken der Kwakintl. Idole von Menschenfressern, die am nördlichen Ende der Welt leben.“
Der Hausmeister verließ seinen Platz an der Tür und trat zu den beiden Männern.
„Sie sehen hier drei Monster. Es sind besonders kostbare Stücke unseres Museums.“
Hauer war zur Seite getreten. Seine Stimme nahm einen fast singenden Ton an:
„Das Rabenvogel-Monster, das Krummschnabel-Monster und Huxwlinkw, der den Opfern den Schädel bricht und das Gehirn ausschlürft.“
Hauer behielt seine rechte Hand die ganze Zeit lässig in der Tasche.
„Spielt er uns was vor?“, dachte Schlögel.
„Da hat der Tote ja noch Glück gehabt “, entfuhr es Hähnrich. „Er hat Raubtierzähne, ist sportlich, sieht nicht wie ein Hausmeister aus, kennt sich für einen solchen zu gut hier aus“, ging es Schlögel durch den Kopf. „Und er spielt mit uns.“ „Diese Monster fallen nicht ganz in das Arbeitsgebiet von Herrn Dr. Rensch.“
Der junge Mann war zurück an die Tür gegangen: „Aber wir sind dabei, die wertvollsten Stücke für die Sicherung vor Bomben vorzubereiten. Da kümmern wir uns natürlich um vieles.“
Schlögel hatte genug gesehen. Nach den sachkundigen Erläuterungen ihres Führers schlug ihm die Atmosphäre dieses Raumes aufs Gemüt: Mumien, Gespenster, Tote. Er wollte raus. „Tja, wir können jetzt nicht mehr viel tun.“
Der Kommissar ging zur Tür und warf einen letzten Blick in den Raum, bevor der Hausmeister das Licht löschte und die Tür wieder verschloß.
„Wir lassen den Toten abholen.“
Sie begaben sich auf den Rückweg.
„Ich bitte Sie, auch weiterhin nicht über den Vorfall zu reden.“ Hauer zuckte mit den Schultern und wandte sich zum Gehen. „Das wird nicht leicht sein. Die Polizei im Haus...“, er vollendete den Satz nicht.
Die Männer hatten die Treppe erreicht. Hauer löschte hinter ihnen das Licht.
Während sie wieder hintereinander nach oben stiegen, befragte Schlögel ihren Begleiter nach Interna, Gerüchte und Gerede der Mitarbeiter. Ohne Erfolg. Ihre Stimmen klangen dumpf und wurden von dem Gewölbe rasch verschluckt. Hauer war wortkarg. Entweder blockierte er, oder er wußte nichts, war am Institut ein Außenseiter.
Mit wem der Tote enger zusammengearbeitet hatte, wollte der Kommissar wissen.
„Da reden Sie am besten mit Fräulein Postier, unserer Bibliothekarin.“ „War Dr. Rensch der einzige Experte hier im Museum?“
„Natürlich nicht. Da ist noch Dr. Holter...“
Hauer nannte noch andere Namen.
„Dr. Rensch teilt sich mit Dr. Holter die Leitung einer Abteilung.“ Der Hausmeister schien noch etwas hinzufügen zu wollen.
Sie hatten einen Treppenabsatz erreicht. Der Kommissar blieb stehen und nutzte die Gelegenheit, Hauer, soweit das bei der Beleuchtung ging, genauer anzusehen: „Na und?“
„Die beiden waren sich nicht grün. Doch das hielten sie unter der Decke. Fräulein Postier sollten Sie nach Dr. Rensch fragen.“
Mehr war aus dem wortkargen Hausmeister nicht herauszubekommen. Schweigend legten sie den letzten Teil des Weges zurück. Hauer brachte sie bis zum Büro des Direktors. Er betrat mit den beiden Männern den Raum.
„Brauchen Sie mich noch?“ fragte er dann Schlögel und sah Professor N., wie es dem Kommissar schien, herausfordernd an. Dieser warf Hilfe suchend einen Blick auf den Kommissar.
Dieser schüttelte den Kopf.
„Vorläufig nicht.“
„Haben Sie vielen Dank!“ sagte der Direktor und verabschiedete seinen Angestellten.
Noch bevor die Tür ins Schloß fiel, stieß er hervor:
„Nun, was meinen Sie?“



"Navajo"
Kriminalroman
von Peter Coy

 

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• Dr. D.K. Gessner • KRIMI UNTERHALTUNG • Leben und Schreiben in Zeiten des Kalten Krieges • 14532 Kleinmachnow, Tel.: 033203/56553,